Was bedeutet umfassende Nachhaltigkeit für Architekt*innen? Ist dieser Beruf nicht einer der nachhaltigsten überhaupt? Bauen Architekt*innen denn nicht für die Ewigkeit? Verglichen mit dieser – hier bewusst provokant formulierten – Zeitspanne erscheinen die neun Jahre bis zum ersten gesetzten Etappenziel der Europäischen Kommission zur CO2-Reduktion im Jahre 2030 wie ein Wimpernschlag. Und fehlende Schnelligkeit lässt sich der Bauindustrie in den vergangenen Jahren schwerlich vorwerfen, doch unsere technologischen Fortschritte und Errungenschaften in immer größeren und komplexeren Bauvorhaben führen nicht zwangsläufig zu einer nachhaltigeren Architektur – ganz im Gegenteil. Werden unsere Gebäude in Zeiten immer schnellerer Kreisläufe nicht ebenso zu einem Konsumgut oder gar zu einem „Wegwerfprodukt“, wie wir es aus anderen Industriesektoren kennen? Welche sozialen und kulturellen Anforderungen haben unsere zukünftigen Stadträume?
„Wir überlegen uns bei jeder neuen Aufgabe, ob wir bestehende Strukturen nicht auch weiterverwenden können.“
Im Gespräch mit Georg-Christof Bertsch, Professor an der HfG Offenbach und Chefredakteur des DDCAST, dem wöchentlich erscheinenden Podcast des Deutschen Design Clubs, stellt Jürgen Engel fest: Es ist an den heutigen Architekt*innen und Designer*innen, unsere Zukunft zu gestalten und mit diesen komplexen Themen umzugehen. Den bereits erfolgreichen Bewegungen, wie „Architects for Future“, Initiativen des DGNB (z. B. Phase Nachhaltigkeit) und vielen weiteren ist es zu verdanken, dass ein nachhaltiger Wandel der Baubranche von und für Architekt*innen in den Fokus gerückt wird. Gleichzeitig besteht auch im Bausektor die Versuchung von sogenanntem ‚Greenwashing‘. Aus Imagegründen werden Begriffe wie „Cradle-to-Cradle“ beinahe inflationär verwendet, ohne in der baulichen Realisierung einen tatsächlichen ökologischen Nutzen zu bewirken. Statt den Abriss eines Gebäudes unter dem Vorwand der Wiederverwendbarkeit von Materialen von Beginn an einzuplanen, sollte man sich die Widerstands- und Wandlungsfähigkeit eines Gebäudes zum Ziel zu machen, um eine spätere Umnutzung zu ermöglichen. Im Gespräch mit Georg-Christof Bertsch geht Jürgen Engel auf jene Resilienz und Dauerhaftigkeit von Architektur ein, die er nicht nur für einzelne Projekte sieht, sondern als gedanklichen Ausgangspunkt und das eigentliche Ziel einer Stadtentwicklung begreift. „The city as an infinite project - Resilienz in Architektur und Stadtplanung“ - Auch im letzten Beitrag beschäftigte sich Jürgen Engel intensiv mit diesem Thema. Die mit der Nachhaltigkeit eng verbundene soziale Verantwortung von Architekt*innen rückt im Podcast weiter in den Vordergrund und spannt den Bogen hin zu historischen und kulturell aufgeladenen Räumen. Gestaltung verbindet sich mit sozialer Relevanz.
„Nachdem ich im Studium das Gestalterische, das Ästhetische erlernt hatte, wollte ich es auch mit dem Sozialen verbinden.“
Im Zeichen von Klimawandel und rasanter Stadtentwicklung befindet sich die Architektur in einer Findungsphase, in der sie nicht nur den europäischen Klimazielen gegenübersteht: International agierende Architekt*innen stehen vor unterschiedlichen baurechtlichen Vorgaben und ebenso differenzierten Zeitabläufen bei Gesetzesänderungen, die bei großen Stadtentwicklungsprojekten über mehrere Jahre oder Jahrzehnte ins Gewicht fallen.
In unserem Beitrag „Gemeinsam Innovation voranbringen - Der Forschungscampus als Zukunftsmodell“ zur Campusarchitektur und Stadterweiterungsprojekten in Deutschland und China haben wir diesen Aspekt bereits beleuchtet. Auch hier wird der Städtebau als eine der spannendsten Disziplinen des Architekt*innenberufs und besondere Kunst eines nachhaltigen architektonischen Denkens und Handelns thematisiert.
„Architektur lebt davon, dass die Harmonie erfahrbar ist“
Die wertvollen aktuellen Ansätze und wissenschaftlichen Erkenntnisse, die klar in eine CO2-neutrale Zukunft weisen, gilt es architektonisch zu formulieren - eine anspruchsvolle, aber auch eine der spannendsten Herausforderungen, der sich Architekt*innen und Innenarchitekten heute stellen können und müssen.
Welche Eindrücke hat Jürgen Engel zu diesen Themen von seinen internationalen Projekten mitgenommen? Wie aktuell sind für ihn die Theorien der „environmental psychology“ und die damit verbundene Frage nach sozialer Verantwortung, die ihn seit Studientagen beschäftigt? Welche Orte verbindet er mit einer spürbaren architektonischen Harmonie und welchen Bezug gibt es zu den zahlreichen Hochzeitspaaren, die sich auf der Meixi Urban Helix im chinesischen Changsha fotografieren lassen? Im Gespräch mit Georg-Christof Bertsch geht Jürgen Engel diesen Fragen auf den Grund.
Wir wünschen viel Spaß beim Hören und bedanken uns beim Deutschen Designer Club für die tolle Aufnahme. Hier gehts zum DDCAST
Thomas Busse
Geschäftsführer International