SKYLINE ATLAS:

Nachdem Ihr Büro den Architekturwettbewerb des Central Business Towers 2001 gewonnen hatte, stand die Planung aufgrund der Eigentumsverhältnisse und des 11. September 2001 zwanzig Jahre still. Muss man als Architekt einen besonders langen Atem haben und stets Optimist sein, oder haben auch Sie zwischenzeitlich an der tatsächlichen Realisierung gezweifelt?

Jürgen Engel:

Wir haben nicht daran gezweifelt. Nie. Wir waren uns sicher, dass der CBT irgendwann gebaut wird. Wir haben während der vielen Jahre immer wieder daran gearbeitet. Aber es gehört natürlich auch ein bisschen Glück dazu. Unser Auftraggeber, die Helaba, ist sehr gut aufgestellt und hat einen langen Atem. Am Ende wurde der gordische Knoten zerschlagen und dann ging der Bau auch sofort los. Den Wettbewerb im Jahr 2001 hatten wir damals gewonnen, weil wir eine sehr interessante Grundrisslösung entwickelt hatten, die das Haus zu einem hoch wirtschaftlichen Gebäude für alle möglichen Büroformen macht. Wir haben den Central Business Tower komplett flexibel konzipiert. Das ist die Grundvoraussetzung für eine langfristige Nutzung.

„Der Grundriss entstand aus einer plastischen Idee: zwei Turmhälften stehen so gegeneinander, dass sie mit ihrer zur Mitte hin abgestuften Fassade eine Drehung im Haus erzeugen.“

SKYLINE ATLAS:

Wie nachhaltig wird der CBT tatsächlich sein und in welchem Maße können die geplanten Maßnahmen den Energiebedarf des gesamten Gebäudes decken?

Jürgen Engel:

Der CBT ist ein sehr nachhaltiges Hochhaus und ein Pilotprojekt in Bezug auf die Energiegewinnung mit Photovoltaikmodulen, die wir in die Fassade integriert haben. Der Turm funktioniert wie ein vertikales ‚Solarkraftwerk‘. Durch die Verwendung von Fernwärme und durch die Energie aus den Photovoltaik-Modulen verbraucht der Turm rund ein Drittel weniger Energie als ein konventionelles, mit Erdgas betriebenes Hochhaus. Die Photovoltaik-Module erzeugen pro Jahr rund 158.000 Kilowattstunden (kWh), das reduziert den Energiebedarf erheblich, der an sonnenreichen Tagen für die Kühlung der (Büro)Flächen im Turm erforderlich ist. Die Fassade erscheint durch die zweischalige Kastenfensterkonstruktion sehr offen. Der tatsächliche Öffnungsanteil liegt jedoch nur bei rund 55 Prozent. In Verbindung mit den Photovoltaik-Elementen, die wir auf Höhe der Geschossdecken ebenfalls in gläserne Paneele integriert haben, erzielen wir insgesamt ein sehr offenes, transparentes Erscheinungsbild des Turms.

„Durch die Verwendung von Fernwärme und die Energie aus den Photovoltaik-Modulen verbraucht der Turm rund ein Drittel weniger Energie als ein konventionelles Hochhaus.“

SKYLINE ATLAS:

Wie kann man sich die Öffnung des CBT von der Innenstadt zur Wallanlage vorstellen und wird der CBT den Bürgern Frankfurts einen neuen Ort mit hoher Aufenthaltsqualität bieten?

Jürgen Engel:

Es war uns wichtig, dass an der Neuen Mainzer Straße, die bisher wenig Aufenthaltsqualität bietet, ein neuer Ort für die Bürger Frankfurts entsteht. Das ist uns mit dem CBT gelungen. Durch die öffentliche Passage mit einem Café kann man von der Neuen Mainzer Straße in die Wallanlage und Richtung S-Bahnstation gehen. Im Erdgeschoss gibt es zusätzlich eine Tages-Bar und ein Restaurant mit einer Terrasse Blick in den Park. Von der Passage aus gelangt man ebenfalls zur Lobby des Museums, so dass der CBT immer ein belebter Ort sein wird.

„Gute Architektur trägt immer ein Stück dazu bei, dass sich Menschen in einer Stadt wohl fühlen und sich mit ihr identifizieren.“

SKYLINE ATLAS:

Sie waren als Architekt in den letzten 20 Jahren an 18 Hochhausprojekten in Frankfurt und Umgebung (Eschborn) beteiligt. Einige davon sind aktuell in Planung und im Bau wie die beiden Türme CBT und Canyon - zwei aktuelle Großbaustellen in der Frankfurter Innenstadt. Kann man sagen, Frankfurt wird durch Ihre Architektur geprägt?

Jürgen Engel:

Die Identität der Frankfurter Skyline entsteht durch die Gesamtheit aller Hochhäuser. Das heißt, wir sind mit unseren Hochhausprojekten ein starker Bestandteil dieser Identifikation – aber immer im Zusammenhang mit den anderen. Das Einzigartige an Frankfurt ist dieser Hochhauspulk auf kleinstem Raum. Inwieweit unsere Projekte die Stadt Frankfurt prägen, sollen andere beurteilen. Aber ich denke, gute Architektur trägt immer ein Stück dazu bei, dass sich Menschen in einer Stadt wohl fühlen und sich mit ihr identifizieren.

„Der große Vorteil von Frankfurt ist diese Ballung von Hochhäusern und die Konzentration von städtischer Infrastruktur an einem zentralen Ort.“

SKYLINE ATLAS:

Die Neuauflage des Hochhausentwicklungsplans soll nach mehrfacher Verzögerung dieses Jahr veröffentlicht werden. Schon vor Jahren hat die Stadt erklärt, dass die Skyline nur noch behutsam wachsen soll. Was ist Ihre Meinung dazu?

Jürgen Engel:

In Deutschland gilt Frankfurt als Global City. Frankfurt ist nicht nur eines der bedeutendsten globalen Finanzzentren und Drehkreuz im internationalen Luftverkehr, sondern auch Hauptsitz zahlreicher ausländischer Konzerne. Die Stadt ist aber auch kulturell von großer Bedeutung. Frankfurt hat dieses Alleinstellungsmerkmal der Skyline und sollte das auch weiter pflegen. Frankfurt ist eine Stadt, die für die gesamte Weltwirtschaft eine Bedeutung hat und sich international mit Städten wie Tokio, Paris und London vergleichen muss. Daher sollte sich die Stadt Frankfurt für eine starke und positive Entwicklung für die Zukunft engagieren.

SKYLINE ATLAS:

Was wird aus den alten Hochhäusern und Bürokomplexen?

Jürgen Engel:

Wir müssen den Gebäudebestand erhalten und die „graue Energie“, also die Energie, die für den Bau aufgewendet und verbraucht wurde, weiternutzen, um so die CO2-Emissionen zu reduzieren. Wir bauen aktuell eine ganze Reihe von Bürohochhäusern beispielsweise in Hotel- und Wohntürme um. In diesen Häusern sind auch offene Arbeitsformen mit Großraumbüros ohne weiteres möglich, da die Hochhausgrundrisse sehr flexibel sind. Der Gesetzgeber muss jedoch dafür die Voraussetzungen schaffen. Wir brauchen ein Gesetz, das vorrangig auf den Umbau von Bestandshäusern setzt und Planungen in diesem Bereich erleichtert. Man sollte die Einreichung von Bauanträge vereinfachen und uns Architekten mehr Freiheiten bei der Gestaltung und Umplanung von Bestandsgebäuden gewähren. Das sind spannende Aufgaben, die uns als Architekten herausfordern.

„Die Identität der Frankfurter Skyline entsteht durch die Gesamtheit aller Hochhäuser.“

SKYLINE ATLAS:

Die Stadt will im Bankenviertel, im Bahnhofsviertel und im Bereich Ostbahnhof/Osthafen neue Standorte ausweisen und damit etwa ein Dutzend neuer Hochhäuser ermöglichen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Jürgen Engel:

Mit dem neuen Hochhausentwicklungsplan sollte die Stadt neue Standorte ausweisen, die für die nächsten 50 Jahre relevant sind und den Frankfurter Osten stärker in den Fokus rücken. Denn er bietet eine große Chance, dem Gesamtbild der Hochhäuser in Frankfurt noch einmal eine ganz andere Dimension zu geben. Ich sehe noch großes Potential für weitere Hochhäuser im Umkreis der EZB, also rund um den Ostbahnhof und im Osthafen-Areal.

SKYLINE ATLAS:

Wie kann sich Frankfurt im Wettbewerb mit anderen Metropolen wie Paris, Amsterdam oder Mailand behaupten oder halten Sie eine solche Stadtentwicklung, mit sehr viel weniger Verkehr, für fehlgeleitet?

Jürgen Engel:

Der große Vorteil von Frankfurt ist diese Ballung von Hochhäusern und die Konzentration von städtischer Infrastruktur an einem zentralen Ort. Das heißt, das Stadtzentrum fällt zusammen mit der Ansammlung von Hochhäusern. Das ist in den anderen Städten, wie Paris und Mailand, nicht der Fall. Genau das ist der große Vorteil von Frankfurt: Sie ist eine Stadt der kurzen Wege, die Kommunikation unter den einzelnen Häusern ist sehr eng und gut. Diese Entwicklung weiter zu stärken, finde ich absolut richtig.
Für Frankfurt ist es zudem wichtig, dass man das städtische Leben, das nicht an die Arbeit gebunden ist, stärker fördert und unterstützt. Denn erst das städtische Miteinander, die verschiedenen Angebote von Kultur, Wohnen, Restaurants, Geschäften sowie Plätzen und Grünanlagen, also der attraktive Aufenthalt im Freien, erzeugt das urbane Leben in unseren Innenstädten, das wir uns wünschen.

Der Beitrag ist ein bearbeiteter Auszug aus einem Interview zwischen Jürgen Engel und Caroline Habbel, SKYLINE ATLAS. Das vollständige Interview ist auf der Website von SKYLINE ATLAS abrufbar.

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Jürgen Engel
Geschäftsführender Gesellschafter

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